Das französische Patentrecht, wie auch das europäische Recht und die meisten nationalen Rechtsordnungen weltweit, sieht grundsätzlich das „First to File“-Prinzip vor, wonach das Patentrecht der ersten Person zugesprochen wird, die eine Erfindung angemeldet hat (unabhängig davon, ob sie auch der Erfinder ist). Das französische Patentrecht sieht jedoch einige Ausnahmen von der „First to File“-Regel vor, wozu insbesondere die Ausnahme des persönlichen Vorbesitzes gehört.
Diese Ausnahme des persönlichen Besitzrechts ist in Artikel L. 613-7 des französischen Gesetzbuchs über geistiges Eigentum bestimmt:
"Jede Person, die gutgläubig am Tag der Anmeldung oder der Priorität eines Patents in dem Gebiet, in dem dieses Buch Anwendung findet, im Besitz der Erfindung war, die Gegenstand des Patents ist, hat das Recht, die Erfindung trotz des Bestehens des Patents persönlich zu nutzen.
Das in diesem Artikel anerkannte Recht kann nicht mit dem Firmenwert, dem Unternehmen oder dem Teil des Unternehmens, dem es gehört, übertragen werden."
Artikel L. 613-7 des französischen Gesetzbuchs über geistiges Eigentum sieht vier kumulative Bedingungen vor, die der Vorbesitzer nachweisen muss, um sich auf die Ausnahme des persönlichen Besitzrechts berufen zu können:
Wie bei jeder Ausnahme zu einer bestehenden Regel im französischen Recht, sind auch diese Bedingungen eng auszulegen. Es gibt allerdings nur wenig Rechtsprechung französischer Gerichte zur Ausnahme des persönlichen Vorbesitzes.
In einer Entscheidung Nr. 21/14911 des Pariser Gerichts, 3. Kammer, 1. Abteilung, vom 10.10.2024 hatten die Richter die seltene Möglichkeit, die Auslegung der Voraussetzung der Identität der Techniken zu erläutern, da diese Ausnahme nur selten im Rahmen von Patentverletzungsverfahren geltend gemacht wird.
Im vorliegenden Fall erhob ein auf die Herstellung von elektrischen Kabeln spezialisiertes Unternehmen X Klage wegen Patentverletzung des französischen Teils seines europäischen Patents mit der Bezeichnung "Elektrokabel mit Isolierung aus expandiertem Polyolefin und sein Herstellungsverfahren" gegen das Unternehmen Y, das "U-1000 R2V"-Kabel vermarktete, die die Merkmale seines Patents verletzten.
In ihrer Klagebeantwortung erklärte die Gesellschaft Y geltend, dass sie selbst Kabel mit den gleichen Merkmalen wie die des der Klage zugrunde liegenden Patents hergestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe, und zwar bereits vor dem Anmeldetag des Patents.
Sie machte die Ausnahme des persönlichen Vorbesitzes gemäß Art. L. 613-7 des französischen Gesetzbuchs über geistiges Eigentum geltend und versuchte insbesondere nachzuweisen, dass sie selbst über die Isolierung von elektrischen Kabeln geforscht hat, die für das Patent der Antragstellerin charakteristisch ist.
Dieses Argument wurde jedoch vom Pariser Gericht zurückgewiesen, das der Ansicht war, dass das Hauptmerkmal der dem Patent zugrundeliegenden Erfindung in der Isolierung des elektrischen Kabels mit "einem durchschnittlichen Zellendurchmesser von 300 μm oder weniger" liege, was auch in der Beschreibung und in einer Abbildung des Patents hervorgehoben werde.
Für das Pariser Gericht in seinem Urteil vom 10.10.2024 ist für die Erfüllung des Kriteriums der Identität der Techniken im Sinne von Artikel L. 613-7 des französischen Gesetzbuchs über geistiges Eigentum der Nachweis entscheidend, dass die Isolierung der von der Beklagten hergestellten Kabel die gleiche Zellgröße aufweist, wie die im Patent beschriebene.
Diese Entscheidung steht im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung, die regelmäßig daran erinnert, dass sich der vorherige Besitz ausdrücklich auf die vom Patent geschützte Technik beziehen muss und die Erfindung vollumfänglich bekannt gewesen sein muss. In diesem Sinne hat die Rechtsprechung, die nur selten die Gelegenheit hat, sich zur Bedingung der Identität der Techniken zu äußern, bereits betont, dass es erforderlich sei nachzuweisen, dass eine vollumfängliche Kenntnis aller Bestandteile der Erfindung, die Gegenstand des Patents sind, vor der Patentanmeldung vorlag.
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